Beschreibung des Dorfes im Jahre 1767

 

 

 

Beschreibung des Dorfes im Jahre 1767

 

Sichertshausen ist durch früheren Kauf im Besitz der Herrschaft von Milchling. Am Dorf fließt die Zwester-Ohm vorbei, die sich unterhalb des Dorfes in die Lahn ergießt. Im Dorfe befinden sich zwei Gemeindeziehbrunnen, aus denen sich die Einwohner das benötigte Wasser holen. Der eine Brunnen ist mitten im Dorf, der andere bei George Roths Haus, keiner von beiden führt einen Ausfluß.

Die Fischereigerechtigkeit steht der gnädigsten Herrschaft zu, sie erstreckt sich von der Bellnhäuser bis zur Friedelhäuser Grenze. Die Lahn enthält allerhand Fische, und im Zwester-Ohm-Bach kann man Weißfische, Grundeln und Krebse fangen. Beide Gewässer werden vom Hof-Fischer zu Heskem gehegt und beaufsichtigt. Die Fische wie auch die Krebse werden von der gnädigsten Herrschaft verspeist. An herrschaftlich freien Gütern befinden sich in Sichertshausen

83 ¾ Acker und 3 ½  Ruten               Land

9 ¾ Acker 33 ½  Ruten            Wiesen und Gärten

 

Dieses Land wird abwechselnd in sechsjährigem Rhythmus verliehen, und zwar bearbeiten

Conrad Lemmer           1/4 Teil

Joh. Heinr. Gilbert sen  1/4 Teil

Johannes Zecher sen.    1/8 Teil

Joh. Heinrich Hilberg    1/8 Teil

Joh. Heinrich Euler        1/8 Teil

Joh. Heinrich Stingel     1/8 Teil

 

An jährlicher Pacht haben sie zu entrichten:

 

Joh.  Heinrich Gilbert sen.                Joh.  Heinrich Hilberg

6 Mött 3 Mesten Korn                   3 Mött 2 ½ Mesten Korn

6 Mött 3 Mesten Hafer                  3 Mött 2 ½ Mesten Hafer

 

Conrad Lemmer                             Joh. Heinrich Euler

5 Mött 3 ½ Mesten Korn               2 Mött 3 ¾ Mesten Korn

5 Mött 3 ½ Mesten Hafer              2 Mött 3 ¾ Mesten Hafer

 

Johannes Zecher sen.                     Joh. Heinrich Stingel

3 Mött 1 ½ Mesten Korn               3 Mött ¾ Mesten Korn

3 Mött 1 ½ Mesten Hafer              3 Mött ¾ Mesten Hafer

 

Insgesamt macht das 51 Mött und 2 Mesten aus.  Außerdem müssen sie anteilig 3 Gänse, 3 Hühner und 3 Hähne abliefern.

 

Maße und Gewichte

»Im Mittelalter war die Verwirrung des Meßwesens in Deutschland am schlimmsten. Bei der Zerrissenheit ganz Europas war ein völliges Durcheinander entstanden, das Handel und Wandel lähmte und unlauteren ManipuIationen Vorschub leistete. Fast jede Stadt hatte ein eigenes Maß, selbst innerhalb der Gemeinden gab es oft verschiedene Maße für die verschiedenen Handwerke, jedes deutsche Ländchen hat sein eigenes Quäntchen, eigene Maße hat fast jede deutsche Stadt«. So kam es zu einer Unmenge lokaler Maße und Gewichte, die in den einzelnen Städten aus Holz oder Eisen hergestellt wurden«. (38)

 

1     Meste = 25 Pfund

1     Mötte = 4 Mesten

1     Malter = 4 Mötten

1     Malter = 100 Liter

1     Malter = 4 Faß = 16 Sester

1     Faß = 4 Sester = 16 Mäßchen

1     Sester = 4 Mäßchen

 

Sester (lat. sextarius) ist ein älteres badisches Maß für sackfähige Dinge und entspricht 15 Liter;

10  Sester = 1 Malter.

Sester als Hohlmaß entspricht 6,25 Liter.

Ein Ohm ist ein Hohlmaß für Wein, aber auch für Bier.

 Im Kurfürstentum Hessen: 1 Ohm Bier  = 1,74755Hektoliter. (38,39)

 

Der Wald

auf dem Heckersberg mit 37 3/4 Acker Größe steht der gnädigsten Herrschaft privat zu, desgleichen der Orthische Wald mit 52 Acker und 32 Ruten, welchen die Herrschaft vor ungefähr 12 Jahren den Orthischen Erben in Gießen abgekauft hat. Beide Waldungen bestehen größtenteils aus Eichenholz.  Sollten die Wälder forstmäßig genutzt werden, so könnten sie nach Meinung des Försters jährlich nicht mehr als vier Klafter Holz hergeben, denn im Walde ist in den Jahren zuvor arg Raubbau betrieben worden.  Jetzt sind die beiden Waldungen gänzlich in Hege genommen worden.

 

Adlig freier Wald

Im Darmstädtischen zu Staufenberg liegt das Gut der Familie von Graß, ein adlig freies Gut.  Dieser Herrschaft gehört in Sichertshausen das Rotlaufswäldchen mit 40 3/4 Acker 4 Ruten.  Es besteht größtenteils aus jungem Aufwuchs von Buchen und verschiedenen Eichbäumen.  Bei voller Mast können vier Schweine in das Wäldchen eingetrieben und schlachtreif gefüttert werden.  Wegen des vielen jungen Aufwuchses wird noch kein Holz geschlagen.

 

Halber Gebrauchswald

Es existieren noch weitere Waldungen:

Der Spießwald - 92 1/4 Acker 6 Ruten

Der Großwald - 61 1 Acker

Das Heimbuch - 58 3/4 Acker

Diese Waldungen werden je zur Hälfte von der Herrschaft und von der Gemeinde genutzt.  Seit der Zeit aber, da die Gemeinde die Erlaubnis zum Bau eines Brauhauses erhalten hat, hat sich manches geändert.  Ein Brauer bekommt zwei bis vier Klafter, jeder Schmied 1 1/2 Klafter, der Bäcker 3 Klafter über die festgesetzte Norm, was mit der Herrschaft separat verrechnet werden muß.

 

Bau- und Brennholz

Jeder Gemeindsmann bekommt Bauholz aus den gemeinschaftlichen Waldungen zu einem neuen Wohnhaus und zu einer neuen Scheuer, soviel er dazu nötig hat, ganz frei.  Für die Reiser am Stamm muß er 1 Albus bezahlen.  Brennholz hingegen bekommt jeder der 36 Gemeindsmänner eine oder zwei Klafter ganz frei, die Hälfte der anfallenden Reiser kostet 2 Albus, für die andere Hälfte müssen 1 0 Albus 8 Heller der Herrschaft und 1 Albus dem Förster als Anreisergeld bezahlt werden.

Auch bekommen die Gemeindsmänner die Windfälle über der Erde kostenlos, benötigtes Achsen- und Schwellenholz ist frei.  Was aber mit der Wurzel aus der Erde bricht und das gefallene Eichen-Bauholz verkauft die Herrschaft privat.  Die Gemeinde hat wöchentlich einen Holzlesetag und einen Laubtag.

 

Der Wald und die Mast

Der Wald ermöglicht die Eichen- und Buchenmast, die Mast steht der Herrschaft und der Gemeinde gemeinsam zu. Bei voller Mast kann jeder mit drei Schweinen, bei halber Mast mit zwei Schweinen teilhaben. Die Tiere werden nach Anweisung des Marburger Forstamtes eingetrieben und schlachtbar gefüttert.  In den Waldungen gibt es keinen Maststall, die Schweine werden abends heimgetrieben.

Die Gemeinde hat die halbe Vor- und die ganze Nachmast frei, aber für jedes Tier muß wöchentlich 2 Albus Mastgeld an die Herrschaft entrichtet werden.

 

Die Hude- und Weidegerechtigkeit

Die Gemeinde hat die Hude- und Weidegerechtigkeit in ihren Waldungen, die nicht in Hege liegen, desgleichen auch noch im Walde des Obrist-Lieutenants von Graß, und zwar in den Teilen, die in die Sichertshäuser Gemarkung hineinreichen und nicht in Hege liegen.  Die Viehherden bestehen zur Zeit aus 1 Pferd, 44 Ochsen, 68 Kühen und 148 Schafen.

 

Die Schäfereigerechtigkeit

Die Gemeinde hat die Schäfereigerechtigkeit, die Einwohner können so viele Schafe halten, wie sie ernähren können. Zur Zeit besteht der Pferch aus 148 Stück, wofür keine Genehmigung notwendig ist. Die Schafhalter müssen aber das fünfzigste Stück als Schnitthammel abliefern. Als Ersatz können zwei Taler gezahlt werden. Die Schafbesitzer müssen für jedes Tier 1 Albus bezahlen.

 

Die Braugerechtigkeit

Dreizehn Einwohner haben ein Brauhaus und die notwendige Braugerechtigkeit. Fünf Mann sind freiwillig abgetreten, und von den übrigen acht brauen nur fünf, die restlichen drei Mann behalten aber ihr Recht auf dem Brauhaus und zahlen an die Herrschaft in die Renterei Treis für die sechsjährige Konzession 4 Taler 10 Kammer-Albus für das Kammerrecht und 8 Kammer-Gulden für Weinkauf neben der gewöhnlichen Verbrauchssteuer.

Nach einem dreijährigen Überschlag sind in den Brauhäusern 121 2/3 Mött gebraut worden, und zwar

1745: - 1 1 0 Mött; 1746: - 140 Mött; 1747: 125 Mött. Zu einem Gebrau werden 5 Mött Malz, 8 Pfund Hopfen und eine halbe Klafter Holz gebraucht, darum bekommt jeder der drei Wirte 4 Klafter. Das übrige Holz muß bezahlt werden, und zwar für jede Klafter 21 1/3 Albus Forstgeld und 2 Albus Stammgeld. Aus einem Gebrau werden 7 1/2 bis 8 Ohm Bier und 3 Ohm Kofent gebraut (Kofent ist die Bezeichnung für Dünnbier, das nach dem Bier durch Aufguß auf die Träbern entsteht). Es trägt auch die Bezeichnung Speisebier, Taferlbier, Tischbier. Hier und da unterscheidet man noch Nachbier - als ersten und Kofent - als zweiten Nachguß. Eigentlich bedeutet es Klosterbier, von convent - Kloster. (36)

 

Bau von Häusern

Ein Haus zu bauen einschließlich Baumaterialien und Bauplatz kostet

das beste Haus                         466 Taler

ein mittleres Haus                        170 Taler

ein schlechtes Haus       30 bis 20 Taler

 

Beim Verkauf sind die gleichen Preise zu zahlen

 

Will man ein Haus mieten, so kostet

das beste Haus             6 Taler

das mittlere Haus          2 Taler

ein schlechtes Haus       2/3 Taler

 

 

Anzahl der Häuser und deren Bewohner

Das Dorf besteht gegenwärtig aus 37 Häusern und Hofraiden. Darin wohnen ständig 37 Männer, 41 Weiber, 39 Söhne, 42 Töchter, 6 Knechte und 14 Mägde, folglich in Summa 179 Menschen. 3 Wirte, die zugleich Bierbrauer sind, 5 Bierbrauer, 2 Schmiede, 2 Schneider, 2 Wagner, 1 Bäcker, 1 Weißbinder, 9 Korbmacher, 2 Dachmacher, 5 Leineweber, 1 Tagelöhnerin, 1 Branntweinbrenner, 2 Spinnerinnen und 1 Druckerin.

Unter diesen Personen befinden sich die meisten mit zwei Hantierungen, so als Leineweber und Korbmacher. Daneben betreiben sie noch den Ackerbau. Nur ganz wenige Leute leben ausschließlich vom Handwerk.

 

In Diensten der Herrschaft befinden sich: 1 Akziser, 1 Zöllner, 3 Garnisonssoldaten. In Gemeindediensten befinden sich: 1 Bauermeister (Gemeinderechner), 1 Schulmeister, 1 Schütz, 3 Steinsetzer, 1 Schäfer, 1 Kuh- und Schweinehirt, welcher dazu noch Nachtwächter ist.

 

Mühlen

Weil das Dorf keine Mühlen hat, müssen die Einwohner ihr Getreide in Treis a. d. L. mahlen lassen. Früher hatte Conrad Gilbert eine Handmühle besessen, mit der er pro Tag eine Mött Hafer hat mahlen können. Leider hat er sie aber nach Hassenhausen verkauft.

 

Wirtschaften

Im Dorf gibt es die drei Wirte: Conrad Bingel, Joh. George Weisbrod und Conrad Lemmer, die Fuhrleute und Fußgänger beherbergen.

Conrad Bingel vertut das Jahr hindurch 50 Mött Hafer und 4 Wagen Heu, an Wein 2 Ohm und an Branntwein 40 Maß. Für die Wirtschaft zahlt er nach Treis in die Renterei jährlich 3 Taler, für die Konzession der Wirtschaft alle drei Jahre 1 Taler, für den Weinschankjährlich 1 Taler 20 Albus Zins, für die Konzession des Weinschanks alle 6 Jahre 5 Taler 6 Albus, für den Branntweinschankjährlich 1 Taler Zins, und fürs Bierbrauen und Zapfen von jeder Ohm 4 Albus 4 Heller Akzise. Joh.

George Weisbrod setzt 15 Mött Hafer und 2 Wagen Heu um.

Conrad Lemmer verbraucht 20 Mött Hafer, 3 Wagen Heu und brennt den Branntwein selbst, den er größtenteils im Ganzen verkauft. Für jeden Eimer zahlt er 16 Taler in die Renterei Treis.

 

An sechsjährigen Konzessionsgeldern trägt es einem jeden der fünf Bierbrauerjährlich 11 Albus und 6 2/5 Heller Zins, vom Bierbrauen jährlich 20 Albus 9 2/5 Heller. Die anderen zwei Wirte müssen diese Gelder jedenfalls entrichten, außer, daß sie den Weinschank nicht haben und was davon bezahlt wird. Dietrich Becker und Joh. Heinrich Gilbert aber geben jährlich 3 Taler vom Bierzapfen. Außerdem zahlen sie die gewöhnliche Akzise und Konzessionsgelder wie die anderen drei Wirte.

 

Der Wert der Ländereien

Ein Acker Land hat bei Verkauf folgenden Wert:

der beste Boden             50 Taler

ein mittlerer Boden         35 Taler

ein schlechter Boden       20 Taler

 

Wird ein Ackerland verpachtet, so erzielt man, wenn sich der Verpächter für die Lasten verbürgt:

für den besten Boden    2 Taler

für mittleren Boden       1 Taler

für schlechteren Boden  1/3 Taler

 

Ein Acker Wiese hat bei Verkauf folgenden Wert:

die beste Wiese            60 Taler

eine mittlere Wiese        40 Taler

eine schlechte Wiese     15 Taler

 

Die Dorfschaft und deren Feldmnark

Das ganze Dorf besteht einschließlich der herrschaftlichen und adlig freien Güter aus:

 

34 Haus- und Hofreiden

6 einfachen Häusern

554 1/4Acker 9 Ruten Land

103 Acker 25 Ruten Wiesen

69 3/4 Acker 13 1/2 Ruten Wiesungen

892 3/4 Acker 41/2 Ruten Waldungen

welche insgesamt 1620 Acker 141/2 Ruten ausmachen.

 

Die Kirche

Die evangelische Filialkirche wird von der Mutterkirche in Treis an der Lumda betreut. Der dortige Metropolitan ist verpflichtet, alle 14 Tage die Sonntagspredigt zu halten, desgleichen auf jeden hohen zweiten Festtag. An den Festtagen und zu Michaelis hat er das Abendmahl zu spenden.

An den übrigen Sonntagen ist die Gemeinde verpflichtet, den Gottesdienst in den benachbarten Orten Fronhausen, Hassenhausen oder Bellnhausen zu besuchen. Ein Pfarrhaus gibt es nur in Treis, wo zur Zeit der Metropolitan Koch wohnt. Sichertshausen ist verpflichtet, sich zu einem Fünftel an den Bau- und Reparaturarbeiten zu beteiligen.

 

Die Einnahmen des Pfarrers in Sichertshausen:

Aus hiesiger Gemeindejährlich 2 Gulden

An sonstigen Einnahmen:

Für ein Aufgebot und eine Trauung 1 Taler

Für das Eheprotokoll 1 ¼ Taler

Eine Kindstaufe, sowohl ehelich als auch unehelich 7 Albus

Konfirmation eines Nachtmahlkindes 7 Albus

(Weil diese Kinder 4 bis 6 Wochen zum Konfirmandenunterricht gehen müssen)

Eine Bescheinigung 3 1/3 Albus

Begräbnis eines Alten 2/3 bis 1 Taler

Begräbnis eines Jungen 14 Albus

Die Abnahme einer Kirchenbuße 1 Taler

Beichtpfennig von jeder Nachtmahlsperson 1 Albus

 

Bisher hatte jeder Einwohner zur Gründonnerstagsfeier nach Belieben gespendet, neuerdings weigern sich die Leute,es weiterhin zu tun.

 

Gemeindebesitz

Dieser besteht aus einem Schulhaus, einem wüsten Bauplatz, auf dem das Hirtenhaus gestanden hat, einem unbewohnten Backhaus, einer Kirche samt dem Kirchhof daran. Die Gemeinde hat den Turm instand zu halten, das übrige muß der Kasten machen.

Ferner besitzt die Gemeinde

56 ½  Acker 5 ½ Ruten zehntbares Land

1 ½  Acker 31 Ruten zehntfreies Land

27 ½ Acker 19 ½  Ruten Wiesen

381 Acker 3 Ruten Waldungen

69 ¾ Acker 13 ½ Ruten Wüstungen

Von diesen Wüstungen sind 6 Acker 20 ½ Ruten mit der fürstlich Darmstädtischen Stadt Staufenberg der Grenze wegen strittig, und vernünftigerweise werden davon keine Abgaben an die Stadt Staufenberg entrichtet.

 

Zinsen

Die jährlichen Abgaben des Dorfes, auschließlich der herrschaftlich freien Güter, betragen an Zinsen und Gefällen insgesamt:

15 Taler 6 Albus 1 13/64 Heller an Geld

2 Viertel 3/16 Metzen an Weizen

8 Viertel 5 23/48 Metzen an Korn

7 Viertel 1 3/4 Metzen an Hafer

9 Stück Gänse

5 Stück Hühner

25 Stück Hähne

Diese Abgaben sind aufzubringen von allen Lehns-, Erb- und Gemeindegütern, und sie werden entrichtet: an gnädigste Herrschaft in die Renterei Marburg

in die Renterei Treis an der Lumda

dem Ordens-Hospital St. Elisabeth zu Marburg

der löblichen Universität zu Marburg

dem Stift zu Wetter

dem Diakonat zu Marburg

dem lutherischen Gotteskasten zu Marburg

dem Pfarrer zu Treis an der Lumda

dem Gotteskasten zu Treis an der Lumda

der Pfarre zu Fronhausen

dem von Graß zu Staufenberg

der Gemeinde Sichertshausen

an Dr. Eberts Erben zu Marburg

 

Der Kirchenkasten

Die Einrichtung des Kirchenkastens stammt aus der Zeit Philipps des Großmütigen.  Nach Aut7ösung der Klöster und sonstiger religiöser Einrichtungen wurde das anfallende Vermögen besonders verwaltet.  Die Kastenordnung vom Jahre 1530 ist die erste kirchliche Ordnung, die nicht nur das Armenwesen, sondern auch die Besoldung der evangelisch gewordenen Pfarrer regelt.  Der Pfarrer wurde oberster Kastenmeister und verwaltete die Kirchengüter.  Aus dem Kirchenkasten sollten die Pfarrer und Armen versorgt und die Kirchen erhalten werden. (57)

 

Güter

Die Güter und Höfe bestanden aus Erb-, Lehn- und Kastengütern, die teils dem Landesherrn, teils der Universität Marburg, dem Kirchenkasten und teilweise noch einem Adelsherrn zinsbar waren.  Bei der Ablieferung des Fruchtzinses wurde nach dem für das Dorf festgesetzten Fruchtmaß gemessen. (57)

 

Das Lehngut

Das war ein Leihgut, dessen Empfang zu ritterlichem Kriegsdienst und Treue verpflichtete.  Es war im Mittelalter durch die Vereinigung von Rechten und Pflichten der Grundbegriff des Gesellschaftsbaus: Der Kaiser hatte das Reich von Gott zu Lehen, er gab Lehen an die reichsunmittelbaren Fürsten, die wieder kleinere Lehen vergaben.  Diese Güter waren als Sold zu verstehen, und sie wurden nach dem Willen des Kaisers vererbt.

 

Der Pachthof

Das bedeutete Nutzung eines Hofes gegen Entgelt. Der Pächter bewirtschaftete ein Gut gegen Zahlung einer bestimmten Summe an den Eigentümer.

 

Kastengüter

Kastengüter wurden mit einem Leihbrief vergeben. Solch ein Pfarrgut mußte in gutem Zustand gehalten, nichts durfte veräußert, versetzt oder verpfändet werden. Der Inhaber des Kastengutes hatte sich gegen seinen Pfarrer und gegen die Kirche allzeit redlich, ehrlich und aufrichtig zu zeigen. Alle Jahr auf Martini Episcopi wurde von solch einem Pfarrgut dem Pfarrer geliefert. 1 Florin, 30 Alb., eine Gans, ein Huhn und ein Hahn.  Das Gut wurde auf 8 Jahre verliehen. Hatte der Bauer alle Jahre seine Pacht zur Zufriedenheit des Pfarrers bezahlt, so wurde er weiter mit diesem Gut belehnt. Er mußte dem Pfarrer in die Hand versprechen, daß er ohne Arglist und Betrug wirtschaften wolle. (57)

 

Der Zehnt

Man versteht unter Zehnt im allgemeinen den Zehnt vom Grundbesitz, und zwar vom Ertrag, der als Reallast auf dem Grundstück ruht.  Es gibt den Fruchtzehnt und den Tierzehnt.

 

In der Sichertshäuser Feldmark erheben den Zehnten mit der 11. Garbe die gnädigste Herrschaft vom Gemeindeland 561/2 Acker 5 Ruten.  Nach einem dreijährigen Überschlag betrug das 6 Mesten Korn und 6 Mesten Hafer, zuweilen auch mehr.

Den Haupt-Feldzehnten dagegen von 493 Acker hat die Sichertshäuser Gemeinde mit 7 Teilen und Dr. Eberts Erben zu Marburg mit 5 Teilen.  Diese 5 Teile hatte die Gemeinde Sichertshausen von Dr. Eberts Erben am 10.  Juni 1806 käuflich an sich gebracht.  Außerdem hatten sie noch den Blutzehnten zum 1 1. Stück zu erheben: von einem Lamm 4 Heller, von einem Ferkel 6 Heller, von einem Kalb 2 Heller.  Diese Zehntsteuer trägt a[Uährlich den Zehntherren dreieinhalb bis vier Kopfstück ein.

Die Wiesen hingegen sind durchgehend zehntfrei.

 

Der Gemeindeanteil an der Zehntsteuer betrug nach dreiährigem Überschlag 11 Mött Korn, 12 Mött und 2/3 Meste Hafer.

Dr. Eberts Erben Anteil betrug nach dreijährigem Überschlag 9 Mött und 2 5/16 Mesten Korn, 8 Mött und 5/8 Mesten Hafer.

Der Zehntpflicht unterliegen noch 1 Acker 13 1/2

 

Ruten für den Zehntherrn von Rabenau in Fronhausen. Er erhält jährlich 27 Albus.

1 3/4 Acker 34 Ruten sind zehntfrei.

 

Dienste

Sichertshausen hat der gnädigsten Herrschaft gemessene und ungemessene Dienste zu leisten.  Ungemessen sind sie in Bausachen, die gemessenen bestehen darin, daß die beiden Ackerleute George Henrich  Schweizer und George Rothjährlich einen Tag Erntefahrten und eineinhalb Tage Mäharbeiten durchzuführen haben. Ferner müssen sie im Herbst und Frühjahr je 2 1/2 Viertel Land ackern, sie haben 16 114 Holzfahrten durchzuführen und an 2 1/2 Düngetagen zur Verfügung zu sein.  Falls sie diese Leistungen in natura nicht vollbringen, müssen sie pro Tag 2 Gulden und 9 Albus bezahlen.  Ein Ackermann aber, der mit einem Pferde oder zwei Ochsen fährt, hat jährlich 9 Erntefahrten zu übernehmen, an 1 1/4 Schneidetagen zu mähen und im Herbst und Frühjahr je 1 3/8 Viertel Land zu ackern, 16 1/4 Holzfahrten zu übernehmen, 2 1/2 Düngefuhren zu leisten.  Geschieht der Dienst nicht in natura, so müssen dafür 1 Gulden 25 Albus und 6 Heller entrichtet werden.  Ferner haben die Einläufigen (das waren arme, ledige Männer, die keinen Grundbesitz hatten und sich als Taglöhner verdingten)jährlich 21 ständige gemessene Diensttage. Wer seiner Verpflichtung in natura nicht nachkommt, muß 26 Albus 2 Heller bezahlen. Joh. Conrad Bingel hingegen hat als schwiegermütterlicher Nachkomme die Dienstfreiheit auf sein Gut, das er besitzt, erkauft.

 

Servitut (Dienstbarkeit)

In Sichertshausen sind 23 Mann der gnädigsten Herrschaft mit der Leibeigenschaft untergeben. Jeder einzelne muß 4 Albus 9 Heller, mitunter auch 4 1/4 Albus jährliche Bede zahlen, eine Weibsperson aber nur 2 Albus 3 Heller. Auch das beste Stück Vieh im Wert von 1 oder 2 bis 2 1/2 Kammergulden wird gefordert, wobei der Rentmeister zu Marburg 2 Kopfstück, der Amtswalter zu Treis aber 1 Kopfstück für das Attestat als eine Zollabgabe bekommen.

 

Die Bede

Ist die älteste deutsche Steuer. Sie wurde etwa im 12. Jahrhundert in allen deutschen Territorien eingeführt und vom Landesherrn erhoben. Ursprünglich waren es Abgaben, welche die Grundherren "erbaten«, später dann aber forderten.  Die Bede galt als Gegenleistung der Untertanen eines bestimmten Bezirks für den Schutz und die Sicherheit, die ihnen der Herr gewährte.  Je nach Art der Dienste und der zu entrichtenden Produkte hieß diese Bede auch Bedekorn, Bierbede, Küchenbede, Kuhpfennig; je nach Termin: an Pfingsten oder im Herbst. (57)

Ferner sind drei Mann dem Fürsten zu Weilburg leibeigen und müssen diesem jährlich 3 Albus 4 Heller für ein Bedhuhn bezahlen.

 

Die Leibeigenschaft

Die Besiedlung des Landes war vor Jahrhunderten von Bauern und Rittern vorgenommen worden.  Der Unternehmer des Siedlungsvorgangs, der Lokator, erhielt für die Ansetzung der Bauern einen größeren Hof wurde von Zinszahlungen befreit und nahm an den Gerichtstagen teil. Er erhielt auch das Schulzenamt. So entstanden die Freihöfe der Lokatoren. Den Rittern wurden als Sold für die Waffendienste größer ausgelegte Höfe übertragen, das waren die Ackerhöfe der Lehnsritter.  Sie produzierten nur für den eigenen Bedarf einen Markt gab es noch nicht.  Der Ortsadel verfügte über Allodien (Eigengut, Freigut, Erbgut), häufig mit Betrieben verbunden, die von Hörigen bewirtschaftet wurden. Außerdem verfügten die Landesherren und kirchliche Einrichtungen und Stiftungen über Landbesitz. Die Inhaber der größeren Hofe waren mit besseren Rechten ausgestattet als die Bauern auf ihren Höfen. Im Spätmittelalter wurde Land in erheblichem Umfange wüst und fiel den Rittern zu. Es war aber zunächst wenig wert und wurde meist nur zur Jagd und als Schaftrift genutzt. Arbeitskräfte fehlten, und einen Absatzmarkt für Landprodukte gab es noch nicht.

Das wurde anders im 16.  Jahrhundert.  Söldnerhaufen enthoben die Ritter ihres Wehrdienstes.  Jetzt konnten sie Zeit und Kraft auf die Bewirtschaftung ihrer Güter verwenden.  Die Schwäche der Staatsgewalt führte dazu, daß die Ritter wichtige Hoheitsrechte an sich rissen, die Gerichtsherrschaft, das Besteuerungsrecht und die öffentlich-rechtlichen Fronden gingen jetzt auf Ritter und Landesherrschaft über.  Die Bauern hatten nun der Herrschaft in solch einem Ausmaß zu dienen, daß sie ihre eigene Wirtschaft vernachlässigen mußten. Sie verarmten und entließen deshalb häufig. Die Verschlechterung der bäuerlichen Besitzrechte erleichterte das »Bauernlegen« (Aufkaufen von Bauernstellen durch die Großgrundbesitzer).

Im Spätmittelalter kam es zu einer Agrarkrise infolge eines relativen Überangebots an Getreide. Die Bevölkerungszahlen waren in ganz Europa rapide zuruckgegangen, die Getreidepreise sanken. Die sozialen Unterschiede im Dorf wurden schroffer, es entstand eine recht zahlreiche Schicht von Besitzlosen, ein ländliches Armenproblem tat sich auf.  Bauernsöhne schlossen sich Söldnerbanden an, wanderten in die Städte ab.

Andererseits mußten die Grundbesitzer mehr produzieren, um ihr »standesgemäßes« Leben weiter finanzieren zu können.  Sie konnten der Abwanderung der Besitzlosen nicht tatenlos zusehen, sie wollten dieses für sie unerfreuliche Geschehen durch Einführung der Leibeigenschaft steuern.  Dem leibeigenen Bauern Wurde zum Beispiel die Freiheit verweigert, den Boden zu verlassen. Durch Zwang und Willkür beschafften sich die Großbetriebe die benötigten Arbeitskräfte.  Die Strafen für entlaufene Bauern wurden verschärft, die Bauern und ihre Kinder, selbst ihre Kindeskinder wurden "dem Herren untertänig« und »an die Scholle gebunden«.  Sie galten als Zubehör des Gutes, das Handelswert besaß.  Der Halbfreie, der ein Zinsgut besaß, hatte gemessene Dienste und bestimmte Abgaben zu leisten.  Er konnte das in der Regel erbliche Zinsgut nicht ohne Zustimmung des Dienstherrn, dem er hörig war, veräußern.  Der Hörige konnte aber auch Vermögen erwerben. Im Laufe des späten Mittelalters wurde die gesamte bäuerliche Bevölkerung Deutschlands im wesentlichen zu Hörigen. Da die Leibeigenen in die Hörigkeit aufgingen, wurden die Hörigen auch als Leibeigene bezeichnet. (57)

 

Die dienenden Bauerngüter wurden in Pacht, Teilpacht oder durch Arbeitsverträge mit Prämien und Gewinnbeteiligungen vergeben.  Aus dem Hauptbetrieb wurden aber manche Zweige ausgegliedert, z. B. die Schäferei. »Die Herrschaft sparte dabei an Aufsicht und Kontrolle.  Sie entlastete sich vom Risiko, das besonders in der Viehhaltung groß war, gab Spezialkräften Raum (Schäfern, »Viehmüttern") und nutzte das Eigeninteresse der Beteiligten.«

 

Bei den "ungemessenen« Diensten zogen Taxationskommissare von den Erträgen der Bauernhöfe das ab, was zur Erhaltung derselben nötig war. Der alsdann übrigbleibende Ertrag wurde als ein der Herrschaft schuldiges Dienstgeld angesehen.

 

Wir müssen zwischen Gutsherrschaft und Grundherrschaft unterscheiden: Der Gutsuntertan stand nur zum Gutsherrn in einer Abhängigkeitsbeziehung. Der grundherrliche Bauer stand zu zahlreichen Grundherren in einer Abhängigkeitsbeziehung.

 

In der westdeutschen Grundherrschaft war eine starke Verbreitung der Pacht festzustellen. Typisch war auch, daß die Landesherren kräftig eingriffen. (40)

 

Der Zoll

 

An Zoll werden in Sichertshausen jährlich im Schnitt 222 Reichstaler eingenommen.

 

Das Steuerkapital

der Handwerker und Gewerbetreibenden beläuft sich auf 676 Steuergulden (das war also die Steuereinnahme, gezahlt von den Handwerkern und Gewerbetreibenden).

 

Die Zivil- und Kriminalgerichtsbarkeit

steht privat der gnädigsten Herrschaft zu. Die Zivil-Gerichtsbarkeit wird vom Amtswalter zu Treis an der Lumda verwaltet, die Kriminalgerichtsbarkeit aber durch das peinliche Gericht zu Marburg.

 

Die hohe und die niedere Jagd

Sowohl die hohe als auch die niedere Jagd steht ausschließlich der gnädigsten Herrschaft zu.  Sie steht unter der Aufsicht des Marburger Forstamtes und wird durch den Förster in Treis an der Lumda ausgeübt.