Sichertshausen nach der
Beurkundung
Die Schreibweise
1237: Sigehardeshusen
1256: Sigehartishusen
1335: Sigertishusen
1352: Sichertshusen
1354: Sygershusen
Die Deutung desNamens: Haus
des Sighard. (17)
Das Dorf Sichertshausen
war nie Lehen, es war Allod,
d. h. lehnsfreier Grundbesitz der Freiherrn Schutzbar genannt Milchling. Im
hessischen Dorfbuch von 1577 ist festgehalten, daß Sichertshausen unter die
Hoheit des Landesfürsten fällt. Nur das Niedergericht und die peinliche Gerichtsbarkeit
stehe den Schutzbar zu. Der letzte, kinderlose Heinrich Hermann Freiherr
Schutzbar Burgmilchling verkaufte 1648 Sichertshausen, und zwar drei Achtel an
den Verwalter einer Vogtei, den Landdrosten von Oynhausen, fünf Achtel an den
Landgrafen Ludwig VI. von Kassel. Der heutige Bauernhof Bingel war ursprünglich
ein Milchlinghof. (34)
Die Stiftung der Agnes v. Milchling
Agnes v. Milchling geborene
v. Weibling war die Witwe des Caspar v. Schutzbar genannt Milchling. Agnes
starb und hinterließ ein Testament vom 12. Juni 1611 mit einer Stiftungsurkunde
für ein Legat mit dem Grundkapital von 300 Gulden. Es diente als Stipendium für
die studierenden Söhne ihrer Untergebenen, d. h. Agnes hatte bestimmt, daß nur
solche Studenten das Stipendium - im Schnitt waren es jährlich 47 Gulden 12
Albus 1 Heller erhalten durften, die in Treis a. d. L. oder Sichertshausen
geboren waren oder die oder deren Eltern zur Zeit des Gesuches dort ihren
gesetzlichen Wohnsitz hatten.
Ihr Wunsch war es, den Studenten
der Universitäten Marburg oder Gießen oder einer anderen Universität finanziell
zu helfen, damit sie sich ihren Studien intensiv hingeben konnten.
Dem Gesuch um ein Stipendium
mußten Zeugnisse beigegeben werden, die die Würdigkeit des jungen Mannes
genügend auswiesen. Der Pfarrer zu Treis an der Lumda hatte das
Mitspracherecht, vergeben wurde das Stipendium dann aber vom kurfürstlichen
Konsistorium.
Das Stiftungskapital von 300
Gulden wurde im Jahre 1641 in Form einer Verschreibung an Johann Ebert Orth zu
Lollar gegeben und wurde jährlich mit 7 112 Gulden verzinst. Bis zum Jahre 1823
war das Kapital auf etwas über 1 000 Gulden angewachsen, weil die Zahl der
Studenten aus Treis durch die Jahrzehnte doch recht klein blieb. Die Stiftung
wurde nie nach Sichertshausen vergeben, es gab dort keinen Studenten. (62)
Patrimonialgerichtsbarkeit
- Gerichtsbarkeit des Gutsherrn über seine Untergebenen.
Niedere
Gerichtsbarkeit - Gerichtsbarkeit der unteren Instanzen.
Höhere
Gerichtsbarkeit - Gerichtsbarkeit einer Berufungsinstanz.
Peinliche
Gerichtsbarkeit - vor der Exekution wurde der Delinquent dreimal den schärfsten
Folterqualen unterworfen. Der
Nachrichter holte sogar das Herz des Opfers heraus. Mitunter wurde der Delinquent auch gevierteilt.
Ortsadel in Sichertshausen
Aus der Anonymität ragen nur
wenige Namen heraus. Ortsadel erscheint in Sichertshausen in der Zeit von 1315
bis 1357.
Ritter Wigand von
Sichertshausen
Er war ein Marburger Oberbeamter und als solcher Zeuge beim Abschluß vieler Verträge mit dem Deutschen Haus in Marburg. Mitunter siegelte er auch manchen Vertrag mit seinem Wappen.
Salbücher.
Die
hessischen Landgrafen waren bestrebt, ihre Landeshoheit auszubreiten. In dem
Maße, wie ihre Macht zunahm, wuchs auch die Bedeutung des Amtes Marburg Die Marburger Beamten waren tüchtige
Verwaltungsfachleute. Die im Staatsarchiv liegenden Salbücher (Dorfbücher)
enthalten hervorragende Aufstellungen.
Salbuch
wurde das vom Landesherrn angelegte Verzeichnis der Grundstücke einer
Grundherrschaft mit allen darauf ruhenden Lasten und Rechten, den daraus
fließenden Einkünften usw. genannt. Schließlich wurden auch Steuern und andere
Einkünfte öffentlich-rechtlicher Art verzeichnet, so daß aus den Salbüchern,
die auch Urbare genannt wurden, die »Lager-, Stück- und Steuerbücher« wurden.
Diese gingen dann ihrerseits in Kataster und Grundbücher über. Marburger
Oberbeamte hießen seit 1228 Schultheißen, seit 1313 Amtmänner, seit 1386
Landvögte und seit 1500 Statthalter an der Lahn.
Wigand von Sichertshausen
wohnte im Ort von 1315 bis 1357. Als
Marburger Oberbeamten findet man ihn in den Urkunden der Jahre 1343 und 1353
bis 1357. Als Zeuge taucht er in Urkunden der Jahre 1315, 1335, 1339 und 1345 auf.
Es geht bei diesem Dokument um die Einlösung des an Ritter Wigand
von Sichertshausen verpfändeten Hauses Blankenstein durch den Landgrafen
Heinrich und seinen Sohn Otto für 9212 Gulden im Jahre 1361. (32)
Der mittelhochdeutsche Text der Urkunde
Ich Wygand von Sygershußen,
Ritter, bekenne uffenliche an dyssem bribe vur mich unde mine rechten erben um
daz huß Blankenstein, daz mir phandes steit, daz ich reden unde geredet han
mime gnedigen herren, herren Heinrichen, landgraben zu Hessen, und mine herren
landgrabe Otten, syme sone, welche zunt, si ader er erben, komen zu mir unde
minen erben mit nunthusend gulden zweihundert unde zwelf gulden, gut von golde,
unde swer von Gewichte adir an guden alden thornosen, zehen thornosen vur einen
gulden zu rechen, unde mir dy beczalen, alz der brib heldet, den si mir obir
daz hus gegeben han, so sal ich unde mine erben en unde iren erben das
egenannte hus Blankenstein mit allen erin rechten unde nutzin, als darzu
gehorit, wydergeben an allen vorzog unde wyderrede quitt, ledig unde los. Dyses zu orkunde han ich min ingesygel an
dyssen brib gehangen, der gegeben ist nach Christi geburd dryzehenhundert in dem
einundsechzigistenjare an dem sunabynde in der ostirwochen.
Were auch daß ich
zweihundert gulden an den egenannten huse verbuwete, dy solde man mir
wydergeben in der losunge, alse mines herren brib heidet.
Transkription der Urkunde ins Neuhochdeutsche.
Ich, Wigand von
Sichertshausen, Ritter, bekenne öffentlich durch diesen Brief für mich und
meine rechten Erben um das Haus Blankenstein, das in meinem Pfande steht, daß
ich mit meinem gnädigen Herrn, Herrn Landgraf Heinrich zu Hessen und meinem
Herrn Landgrafen Otto, seinem Sohne, welche sind, sie oder ihre Erben, kommen
zu mir und meinen Erben mit neuntausend Gulden, zweihundert und zwölf Gulden,
gut von Gold und schwer von Gewicht oder an guten alten Thornosen, zehn
Thornosen für einen Gulden zu rechnen, und mir die bezahlen gemäß dem Brief, den
sie mir über das Haus gegeben haben. So
soll ich und meine Erben ihnen und ihren Erben das genannte Haus Blankenstein
mit allen ihren Rechten und Nutzen, so dazu gehört, wiedergeben, ohne Verzug
und Widerrede, quitt, ledig und los.
Dies zu beurkunden habe ich mein Siegel an diesen Brief gehängt, der
geschrieben ist nach Christi Geburt 1361 am Sonnabend in der Osterwoche. Sollte ich zweihundert Gulden an dem vorhin
genannten Haus verbaut haben, die soll man mir wiedergeben bei der Einlösung
gemäß dem Brief meines Herrn.
Kommentar
Der Termin der Drucklegung
dieses Buches zwingt uns, die Arbeit zum Thema Wigand von Sichertshausen
abzubrechen. So können wir leider keine weiteren Fakten bringen, sondern müssen
uns darauf beschränken, unsere Gedanken zu äußern. Vielleicht zeigen diese einen Weg, der zu einem späteren
Zeitpunkt beschnitten werden kann, um mehr Klarheit über Wigand zu erhalten.
Die Landgrafen besaßen nicht das ganze Land, sondern nur Orte und in diesen einzelne
Häuser. Brauchten sie Geld, so verpfändeten sie Teile ihres Besitzes unter dem
Vorbehalt, diesen Besitz wieder einlösen zu können.
Wigand war anscheinend ein
wohlhabender Ritter, er hatte dem Landgrafen Geld geliehen. Er hatte das Haus
Blankenstein vielleicht längere Zeit als Pfand gehabt, so daß verschiedene
Reparaturen in Höhe von 200 Gulden notwendig geworden waren. Nun kam der
Landgraf und gab Wigand das geliehene Geld und die Reparaturauslagen zurück.
Wir können annehmen, daß Wigand froh war, das lästige Haus (Reparaturen!)
endlich abgestoßen zu haben. Und er hatte wieder Bargeld. Wozu er es brauchte,
werden wir gleich erfahren.
So plötzlich, wie der
Ortsadel in Sichertshausen auftauchte, so plötzlich verschwand er auch
wieder. Da in dieser Zeit ein reger
Reiseverkehr mit dem Ritterorden nach Livland bestand und Wigand den Orden von
seiner Verwaltungstätigkeit als Oberbeamter gut kannte, ist es denkbar, daß
Wigand den Zug nach Osten mitgemacht hatte und dort geblieben war. Unter
Umständen hing die Rückgabe des Hauses Blankenstein damit zusammen, daß er von
Marburg nach Livland wollte. Vielleicht hatte er den Landgrafen um die Rückgabe
des Geldes gebeten, um das Haus los zu werden und gleichzeitig zu seinem
Reisegeld zu kommen.
Die Ballei Hessen hatte
nicht wenige Ritter nach den Ordenslanden an der Ostsee gesandt. Mancher ist in
den Jahren der Hochblüte um 1250-1290 von Marburg nach Livland gezogen. So war
z. B. Waiter von Nordeck Heermeister in Livland von 1275-1279.
Eigenartigerweise
lebte 1391 im Ordenslande ein Wigand von Marburg, der eine Chronik des Ordens
über die Zeit von 1291-1391 geschrieben hatte.
Diese Chronik behandelt die »Reisen«, d. h. die Kriegszüge der
Ordensritter. Ein unbekannter Chronist aus Geismar bei Fritzlar hat um 1450
diese Chronik ins Lateinische übersetzt. Ist Wigand von Marburg identisch mit
Wigand von Sichertshausen? Sicherlich besaß er als wohlhabender Mann in Marburg
ein Haus und wurde deshalb später eben Wigand von Marburg genannt. Andererseits
kann das kaum der gleiche Mann gewesen sein, wenn man die Jahreszahlen
betrachtet. Um in dieser Frage weiter zu kommen, müßte man die im
Quellenverzeichnis angegebenen Schriften über Wigand durcharbeiten. (43)
ist ein runder, gespaltener
Schild, darin drei mit den Spitzen im Dreipaß aneinander gesetzte Seeblätter,
umschrieben:
S. Wigandi. D. Sygehartzuse. Milt.
Wigand von Sichertshausen -
1361 April 3
(Seeblätter, besser gesagt ornamentierte
Lindenblätter)
"Bei dem Alter der
Linde in Deutschland - diesem urdeutschen Baum - zweifeln wir kaum daran, daß alle
die als »Seeblätter« und »Seepflanzen« angesprochenen lindenblattartig
gestalteten Figuren lediglich Zweige und Blätter des Lindenbaumes, aber nicht
die einer Wasserpflanze sind.
Seepflanze. Die Blätter der Lindenzweige haben Ähnlichkeit mit den sog.
»Seeblättern«. Unseres Erachtens
gehören indes unter die Bezeichnung »Seeblätter" nicht jene in eine Spitze
ausgehenden Figuren, weiche besser wohl als Lindenblätter oder manchmal auch
als »ausgebrochene Lindenblätter« oder »ornamentierte Lindenblätter«
angesprochen werden.
Kleeblatt. Eine Form mit kurzem, teils mit geradem, teils in S-förmiger
Gestalt, teils mit hakenförmig gebogenem Stiel.
Waldkleeblatt. Diese Bezeichnung sollte man wählen, da die Blasonierung (d. h.
ein Wappenschild kunstgerecht beschreiben) als "Kleeblatt ohne Stiel« oder
»drei Herzen im Dreipaß« leicht zu Missverständnissen oder falscher
Zeichnung führen kann.« (31)
Mordverdacht.
Bruder Heinrich,
Konventsbruder des Deutschen Hauses, war erschlagen worden. Vier Täter kamen in
Frage, einer davon war Russer von Sichertshausen. Als Oberrichter fungierte am
13. April 1353 Ritter Kraft Rode. Er fällte folgenden Urteilsspruch: Die Täter
sollen von der Stätte des Mordes aus barfuß, barhäuptig, nur mit einem Hemde
bekleidet und das bloße Schwert in Händen tragend zum Kirchhof gehen. Dort
werden sie von den Deutschen Herren und den Klägern empfangen werden. Vor denen
haben die Sünder auf die Knie zu fallen, die Schwerter zu übergeben und um
Gnade zu bitten, die die Deutschen Herren ihnen gewähren würden. Ferner haben
sie 20 Pfund Wachs für Kerzen zu liefern und 300 Seelenmessen lesen zu lassen.
Schließlich müssen sie nach Aachen wallfahrten. Sie können auch andere Personen
schicken, die aber beweisen müssen, daß sie für des Toten Seele gebetet haben.
Die Sünder haben dafür zu sorgen, daß zwei Tage lang am Grabe des Toten das
Ewige Licht ununterbrochen brennt. Sie müssen ein 6 Fuß hohes Steinkreuz
errichten und 12 Mark an die Kläger zahlen. Als letztes verlangte das Gericht
von ihnen, daß sie den Deutschen Herren Treue geloben. Wenn die Täter alle
diese Auflagen erfüllt hätten, würden sie ihre Rechte zurückerhalten.
Bei
dieser Verhandlung war die Rolle des Wigand von Sichertshausen interessant. Er
wurde zunächst verdächtigt, beim Morde des Bruders Heinrich auch dabei gewesen
zu sein. Doch die Beisitzer Ritter
Milchling von Schönstadt und Herr Werner Milchling waren von seiner Unschuld
überzeugt. Deshalb verlangten sie von den Klägern, daß sie bei allen Heiligen
Wigands Unschuld beschwören und das auch in Briefen an den Landgrafen und an den
Grafen von Ziegenhain bestätigen sollten. Und Wigand verpflichteten sie,
innerhalb eines Monats Zeugen für seine Unschuld beizubringen. Sollte er keine
Zeugen benennen können, so träfe auch ihn der Schuldspruch, dann müsse er die
gleiche Buße tun. (20)
Baltzer zu Siegertzhusen
Baltzer von Sichertshausen
war ein Schöffe.
Wir müssen wieder an die
Gerichtshoheit des Landgrafen denken. Das Gericht Niederweimar gehörte zu
seinem ältesten Besitz. Nach und nach wurden alle Gerichtsrechte vom Reizberg
nach Niederweimar gezogen. Schließlich wurde Niederweimar »Landgericht«
genannt, im Gegensatz zum Oberhofgericht Marburg.
In Niederweimar saß man zu
Gericht über die hessischen Leibeigenen. 1474 wurden am Gericht Leibeigene aus
den Gerichten Ebsdorf, Caldern, Kirchhain, Lohra, Reizberg, Oberwalgern,
Treis-Sichertshausen und dem Amte Dillenburg gerügt. Eine große Verhandlung
fand am 5. September 1518 statt. Vorsitzender war der Schultheiß von
Niederweimar. Aus Marburg kamen der Rentmeister und der Rentschreiber angereist.
18 Schöffen waren anwesend, aus dem Gericht Treis-Sichertshausen der Schöffe
Baltzer aus Sichertshausen.
Gegenstand der Tagung waren Probleme, die sich aus der
Leibeigenschaft ergaben. So verhandelte man über die Heirat mit Frauen aus
fremden Herrschaftsbereichen, über Dienste und Abgaben, über die Zugehörigkeit
neu hinzuziehender Leute. Einen breiten
Raum nahm das Problem der unehelichen Kinder im Reizberg ein.