Sichertshausen vor der
Beurkundung
Um die Mitte des 3. Jahrhunderts
v. Chr. zogen die Chatten mit anderen germanischen Stämmen aus innerasien gen
Westen. Sie besetzten die Gebiete an
der Ostsee und drangen schließlich nach Süden vor.
Ihr Hauptsitz wurde das
caput Mattium, das heutige Dorf Maden in der Gegend um Gudensberg, das später
von dem römischen Feldherrn Germanicus, Sohn des Kaisers Augustus, zerstört
wurde. Nachher überschritten die Chatten das Hessische Bergland und nahmen das
Gebiet der mittleren Lahn, also unser Gebiet, in ihren Besitz. Sie errichteten einen Verwaltungsstützpunkt
auch auf der Amöneburg. Um sich vor Einfällen der Chatten zu schützen, bauten
die Römer den Limes. (57)
Die Chatten hatten ihr Land
in Gaue eingeteilt. Ein Gau bestand aus
mehreren Zentren, den Verwaltungseinheiten oder Gerichtsverbänden. Grenzen waren noch nicht fixiert, ungefähre
Angaben genügten.
So wurde ganz Hessen in 6
Gaue eingeteilt:
1. Der fränkische Hessengau (Niederhessen bis Hersfeld) - der Kern
des Landes, Mattium genannt.
2. Der sächsische Hessengau (nördliches Niedersachsen bis Kassel,
Paderborn, Waldeck).
3. Der Leinegau (Weser, Leine, Werra).
4. Die Germarmark (an der Werra).
5. Der Ringgau.
6. Der Oberlahngau (Oberhessen).
Schließlich wurde das Land
der Chatten Bestandteil des Frankenreiches,
es erhielt die Funktion einer Grenzmark zwischen dem Reich der Franken und dem
Reich der Sachsen. Von der geographischen Lage her kam unserem Lande eine
erhöhte Bedeutung zu. Deshalb führten die Franken eine straffere Verwaltung
ein. Der Frankenkönig teilte die Gaue in Grafschaften. Bis zum heutigen Tage
gibt es Grafschaften als Verwaltungseinheiten, zum Beispiel in England.
An die Spitze der Grafschaft
wurde ein königlicher Beamter gestellt, das war der Gau-Graf, auch Amts-Graf
genannt (Graue, Grebe). Er regierte im
Namen des Königs, befehligte das Heer und vollstreckte des Königs Anordnungen. Seine Amtsführung wurde kontrolliert von den
sogenannten Sendboten, den Send-Grafen, die zu zweit - ein Geistlicher und ein
Laie - in einem bestimmten Bezirk herumreisten. Die Entscheidungen der Gau-Gerichte konnten vor dem Pfalz-Grafen
angefochten werden. Er stand dem
Gericht am Hoflager des Königs vor und war auch der Stellvertreter des Königs.
Es dauerte nicht lange, da
verstanden es clevere Adlige, sich in den Teilbesitz von Grafschaften zu
bringen. Was ursprünglich als Amt angelegt worden war, wurde recht schnell zum
erblichen Besitz. Es gab bald mehr
Grafen als Grafschaften. Eine weitere,
schlimme Entwicklung war die Einführung der Immunität. Der König verlieh sie geistlichen Stiftungen
und weltlichen Herren als Belohnung für geleistete Dienste. Immunität bedeutete Herauslösung einzelner
Teile eines Gaues aus der Gau-Gerichtsbarkeit.
Die Richter solcher Bezirke sprachen nicht mehr im Namen des Königs
Recht, sondern im Namen des Patronatsherren.
So wurden Tor und Tür der Willkür und Gewalt geöffnet.
Im 11. Jahrhundert war von
der alten Gauverfassung nicht mehr viel übrig, die Grafschaften wurden in
erbliche Lehen umgewandelt. Die Mar(c)bach in Marburg teilte den Oberlahngau in
zwei Gerichte, nämlich in die Grafschaft Stiffe (ein Vorort von Wetter) und in
die Grafschaft Ruchesloh (ein Vorort von Oberweimar). Sichertshausen lag in der
Grafschaft Ruchesloh. Zur Grafschaft Ruchesloh gehörten ferner Gladenbach,
Oberweimar, Londorf, Treis, Wismar und KleinLinden. Die Malstätte der
Grafschaft Ruchesloh befand sich auf dem Hügel »Retschloh« bei Oberweimar. Bis etwa zum Jahre 1900 war das der
Tanzplatz von Oberweimar. Auf den
Gerichtsplatz weist auch die Bezeichnung »Auf den neun Schritten« hin.
Treis und Sichertshausen
Im Jahre 1100 gehörte das Dekanat
»Treyse bei Nordecken« zum Erzbistum Mainz. Treis war der Sitz eines
Erzpriesters. Zum Dekanat gehörten die Dörfer Sichertshausen, Dodenhausen,
Oberseilbach, Niederseilbach. Bereits 1035 war die Familie von Schutzbar,
genannt Milchling, in Treis ansässig. Bis zum Jahre 1237 besaßen die
Merenberger das Gericht Treis, anschließend die Grafen von Nassau und dann die
Familie von Schutzbar. Außerdem hatten
sie das Patronat über die Kirche.
Dynastenfamilien
Die Grafen von Gleiberg
An der mittleren Lahn
entwickelte sich die Territorialgrafschaft Gleiberg. Dieser Dynasten-Familie gehörte auch die Grafschaft Ruchesloh. Um
das 10. Jahrhundert mag der Gleiberg gebaut worden sein. Ende des 10.
Jahrhunderts heiratete Friedrich 1. von Luxemburg die Tochter des Grafen
Heribert der Wetterau und zog auf den Gleiberg. Von hier aus wurde die
Grafschaft bis in die Mitte des 12.
Jahrhunderts regiert.
Die Grafen von Merenberg
Ab 1163 setzten Erbteilungen
bei den Gleiberger Grafen ein. Von diesen Erbteilungen profitierten die
Merenberger, die andere Dynastenfamilie in unserem Gebiet. Ihre Stammburg lag
bei Weilburg. Sie bauten ihre Herrschaft im Westteil der Gleiberger Besitzungen
auf. Schließlich fing auch diese Herrschaft an zu bröckeln. Am 15. Dezember 1237 verkauften Konrad und Widekind
von Merenberg die komplette Grafschaft Ruchesloh an den Erzbischof Sigfried
III. von Mainz. Nur 6 Gerichte behielten sie sich vor, so auch Treis an der
Lumda. Im Jahre 1328 heiratete eine Erbtochter der Merenberger den Grafen von
Nassau-Saarbrücken. Damit kamen die Reste der Grafschaft Ruchesloh in den
Besitz von Nassau.
Der Vertrag von Sichertshausen
Erzbischof Sigfried III.
wirkte von 1230 bis zum 9. März 1249.
Der Vertrag:
Am 15. Dezember 1237 erkauft
Erzbischof Sigfried III. von Mainz von dem edlen Herren Konrad von Merenberg
(»consanguineo nostro Conrado, nobili viro de Merenberg«) und dessen Bruder
Widekind die Grafschaft Ruchesloh, exceptisjudiciis etjurisdictionibus harum
villarum: Gladenbach, Lohr, Roidesberg, Treis und Lundorf für 800 Gulden und
verleiht diesen Brüdern zugleich als Burgmannen zu Ameneburg ein Burglehen von
jährlich 16 Pfund Hellern. Z: Arnold
Propst, Johannes v. Vilar, Domkanoniker zu Trier, Eckehard Dechant zu
Ameneburg, Bruder Werner, vorher Graf v. Battenburg, Godefried v. Biegen,
Rupert v. Karben, Reynand v. Aldenburg, Godebert v. Didinhusen, Werner
Cornigel, Sigfried v. Atisbach, Pernelm Pannecuche, Adolf v. Huchelheim.
A. in Campis apud Sigardeshusen.
(A = actum, geschehen im Kamp bei Sichertshausen.) (Dies ist die Inhaltsangabe
des Vertrages, abgedruckt im Böhmer-Will S. 248. Der Originalvertrag liegt im
Hauptstaatsarchiv München, Mainzer Urkunden Nr. 67) (15)
Der Vertrag in Kurzfassung:
Conrad von Merenberg tritt die Herrschaft über die Grafschaft Ruchesloh an den
Erzbischof Sigfried III. von Mainz ab ' Er erhält 800 Gulden Entschädigung und
bekommt die Grafschaft vom Erzbistum als Lehen zurück. Der Merenberger behält
sich aber das Recht vor, die Straf- und Bußgelder zu kassieren aus den
Zentgrafschaften Gladenbach – Lohra – Reizberg - Kirchberg – Treis – Londorf
Sichertshausen
»In der Regel entstanden die
"hausen-Orte" aus Einzelgehöften, die in bis dahin unbebautes Land
vorgestoßen waren. Einige entwickelten sich zu Dörfern, andere, wie z. B.
Friedelhausen, blieben Einzelhöfe. In diesen Orten gab es einen Hof, einen
Herrenhof, der nach dem Besitzer benannt wurde und dessen Name sich auf das
später entstandene Dorf übertrug« (33).
Ortsnamen mit der Endung
-hausen weisen auf fränkischen Ursprung hin. Im Frankenreich gab es freie
Bauern. Von ihnen hob sich der Adel ab, das waren Geschlechter, welche im
Glauben des Volkes von den Göttern abstammten. Darum wurden sie geehrt und
konnten es leichter zu großem Besitz bringen. Oft fanden Kriege statt, sie
förderten die Herausbildung einer führenden Schicht. Dieser Uradel hatte Macht
und Einfluß, er stellte Herzöge und Priester.
Schließlich gab es auch
Unfreie. Das waren Kriegsgefangene und
Männer, die ihre Freiheit etwa beim Würfelspiel verloren hatten. Sie hatten
zusammen mit ihrer Familie keine persönlichen Rechte. Allerdings wurden sie wie
Besitz gepflegt. Die freien Bauern bearbeiteten ihren Boden. Herrenloses Land
gehörte dem König. Der König belohnte mit diesem Lande treue Gefolgsleute.
Diese Grundherren wurden immer mächtiger.
Sie bauten sich Herrensitze, um besser wohnen und geschätzter leben zu
können.
Ursprünglich hatten die
Grundherren das Land nur zur Verwaltung bekommen. Schließlich wurde es in
Privateigentum überführt. Die Bauern gerieten allmählich in Abhängigkeit. Teils
nutzten die Grundherren ihre Stellung aus, teils übernahmen die Bauern aus
Schutzbedürfnis Hand- und Spanndienste und zahlten Abgaben.
»Nach dem fränkischen Recht
mußten alle Bauern jedes Jahr von den Früchten des Feldes und von dem Vieh im
Stall Abgaben abliefern, auch an die Kirchen, die diese Abgaben zum Bau und zur
Unterhaltung der Kirchen und Klöster brauchten. Durch weitere Schenkungen von
Adeligen oder frommen Christen, die sich durch Schenkung ihrer Güter oder ihres
ganzen Vermögens das ewige Seelenheil verdienen wollten, konnte die Kirche ihre
Macht weiter ausbauen«. (57)
Der Hof des Sicartus
Es gibt keine Dokumente, die
etwas über den Hof, über das Haus des Sicartus aussagen. Im Volksmund hält sich aber hartnäckig die
Behauptung, daß sich das Rittergut des Sighard oberhalb der Hohl über dem
heutigen Grundstück Hettche am unteren Bachmark (Pfaffenberg) befunden habe. Nach und nach entstand eine Siedlung, sie erhielt
ihren Namen nach dem Besitzer des Rittergutes, eben Sigehardeshusen. Aber, wie gesagt, beweisen können wir
nichts. Trotzdem wollten wir die
Gelegenheit nicht versäumen, hier diese Legende zu bringen. (26)